Die Schöpfung - Aus dem Paradies in die Freiheit

Am Anfang ist nur Dunkelheit. Das Chaos. Zwei Schläge des Orchesters. Kurz und scharf. Sanft dann die Streicher, die Holzbläser. Die Ouvertüre. Sie spannt sich ewig, enthält sich der Kadenz. Die leise Stimme des Baritons. Und es wird Licht.

Haydns „Die Schöpfung“ im Berliner Dom. Christoph Hagel bringt das berühmte Oratorium, mehr Weltumarmung als Gottesdienst, nach Berlin.

Auf seiner zweiten Englandreise wurde Haydn das Libretto eines unbekannten Autoren überreicht. Ein Mäzen bat ihn zu dem Text, der sich an der Genesis und John Miltons Paradise Lost orientierte eine Komposition zu finden. Haydn anfangs noch unschlüssig und ohne großes Interesse an Oratorien nahm den Text mit nach Wien. sein Freund und Gönner Gottfried van Swieten ermutigte Ihn hier den Auftrag anzunehmen. Van Swieten - Diplomat des Wiener Hofes, Freimaurer und wichtigster Förderer der Wiener Klassik- übersetzte die englische Textvorlage und verwob sie mit zentralen Gedanken der Aufklärung. Nach über 2 Jahren -für Haydn- ungewöhnlich harter Arbeit kam „Die Schöpfung“ schließlich 1798 im Palais Schwarzenberg zur Uraufführung. Und obwohl die Aufführung ausschließlich für geladene Gäste bestimmt war, war der Andrang so groß, dass der Weg zum Palais unter Einsatz der Gendarmerie frei gehalten werden musste. Haydn selbst hatte in beinahe gottesfürchtigem Wahn an dem Werk gearbeitet und sollte mit ihm einen seiner größten Erfolge feiern.

Täglich -so sagte er selbst- habe er auf Knien gebetet. Zahllose Skizzen, erzählen von einem ekstatischen, ständig zweifelnden Schaffensdrang in dem Joseph Haydn eine Komposition schuf, die die Welt, Gott in der Natur suchend, in ihrer atemlosen Schönheit umarmt.

Klassik-Entrepreneur Hagel, der 2010 für seine geniale Fusion von Break Dance und dem wohltemperierten Klavier Johann Sebastian Bachs mit dem Echo-Klassik Sonderpreis ausgezeichnet wurde, überführt Haydns Natur - Ehrfurcht in eine Gegenwart, in der diese längst kein eindeutiges Gesicht mehr hat. Wie empfindet und wie nennt der moderne Mensch das Göttliche in der Natur?
Die Freude, die in jeder einzelnen Note dieser Komposition klingt, findet für Christoph Hagel 2011 ihre Entsprechung in der Bewegung der Körper.

Tableau um Tableau schafft er zusammen mit einem jungen Choreografenteam und neun Tänzern Bilder, die Haydns ehrfürchtige Sinnlichkeit in das Körperliche übersetzen.

In der Bewegung des Tanzes, in Stürmen projizierter Filme, die den ganzen Berliner Dom füllen, entfesselt der Regisseur Haydns Komposition. Denn diese, als Oratorium betitelt, ist vielmehr eine Ode an einen neuen Menschen, an der Schwelle zu einer neuen Gesellschaft. An den aufgeklärten Menschen also, den es in die Freiheit drängt.

So löst sich Hagels Inszenierung –der Idee seines Werkes folgend - aus der Architektur des Raumes, um sich hinaus in die Welt, in die Schöpfung zu befreien.